Die Sinterschicht – Freund oder Feind?

Wer mit Kalk arbeitet, begegnet ihr fast unweigerlich: der Sinterschicht, auch Sinterhaut genannt. Sie erscheint als leicht glänzende, verdichtete Oberfläche, die je nach Licht fast wie polierter Stein wirkt. Manche sehen in ihr ein Hindernis, andere schätzen sie als edles Gestaltungsmittel. Tatsächlich ist sie beides – Herausforderung und Chance zugleich.

Kalkspachtel im Raum

Was geschieht bei der Bildung?

Während Trocknung und Karbonatisierung lagern sich feinste Kalkpartikel an der Oberfläche ab. Unter bestimmten Bedingungen – etwa durch intensives Glätten, zu hohe Luftfeuchtigkeit oder mangelnde Durchlüftung – verdichten sie sich zu einer dünnen, glasartigen Schicht aus Calciumcarbonat. Wasser perlt an ihr ab, die Wand wirkt fast versiegelt.

 

Zwischen Schutz und Einschränkung

Die Sinterschicht verleiht Kalkflächen Stabilität: Sie schützt dünne Schichten vor Abrieb, sorgt für zusätzliche Beständigkeit in Nassbereichen und verleiht der Oberfläche eine elegante, fast marmorähnliche Tiefe. Gerade in der Gestaltung mit Kalkspachtel kann dieser Glanz bewusst eingesetzt werden, um luxuriöse Effekte zu erzielen. Problematisch wird sie jedoch, wenn sie als Sperrschicht wirkt – etwa auf Grund- oder Unterputzen. Dort blockiert sie die Diffusion und verhindert die sichere Haftung nachfolgender Schichten.

Gestalterische Nutzung
In der Oberflächengestaltung kann die Sinterschicht gezielt als Ausdrucksmittel dienen. Durch abgestuftes Verdichten lassen sich Glanzverläufe, changierende Strukturen oder Tiefeneffekte erzeugen, die an Stucco lustro oder venezianische Spachteltechniken erinnern. So wird die Sinterhaut nicht nur technisch, sondern auch ästhetisch zu einem Werkzeug – ein Spiel mit Licht, Handwerk und Material.

 

Wie sie sich beeinflussen lässt

Die Kunst liegt im Steuern. Wer eine gleichmäßige, offene Oberfläche wünscht, vermeidet direkte Sonne, Zugluft und zu starkes Glätten und hält die Fläche während der ersten Trocknung leicht feucht. Soll der Glanz betont werden, lässt er sich durch bewusstes Nachverdichten hervorheben. Und wenn eine neue Beschichtung folgen soll, reicht oft ein leichtes Schleifen oder Abbürsten, um die Fläche wieder aufnahmefähig zu machen.

 

Fazit

Die Sinterschicht ist kein Fehler, sondern Ausdruck der lebendigen Reaktion von Kalk mit seiner Umgebung. Wer sie versteht, kann sie reduzieren, wenn sie stört – oder sie bewusst als schützende und ästhetische Schicht ins Gestaltungskonzept einbeziehen.

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