Lehmputz und Kalkspachtel – das ist eine Verbindung, die in der Innenarchitektur ihresgleichen sucht. Beide Materialien stehen für gesundes Wohnen, höchste Atmungsaktivität und eine unvergleichliche Ästhetik. Doch diese Allianz erfordert vor allem eines: Geduld.
Für uns als Innenarchitekten ist es faszinierend, diese traditionellen Baustoffe in moderne Konzepte zu integrieren. Für Sie als Handwerker oder Bauherren ist es entscheidend zu wissen, wann der richtige Zeitpunkt für den finalen Kalkauftrag gekommen ist. Wer zu früh spachtelt, riskiert Risse und unschöne Schäden, die vermeidbar gewesen wären.
Das Problem der ungleichen Bewegung: Warum Warten so wichtig ist
Der Hauptgrund für Rissbildung, wenn Kalkspachtel auf frischen Lehmputz trifft, liegt in der unterschiedlichen Trocknungsgeschwindigkeit und -bewegung der Materialien.
- Lehm „arbeitet“: Lehmputz enthält große Mengen an gebundenem Wasser. Beim Trocknen zieht sich der Lehm zusammen und „bewegt“ sich. Dieser Prozess kann je nach Schichtdicke und Raumklima sehr lange dauern.
- Kalk härtet anders: Ein Kalkspachtel (ob Sumpfkalk oder NHL 5) beginnt sofort mit seiner Erhärtung (Carbonatisierung oder hydraulische Bindung).
Wird der Kalk auf einen Lehmputz aufgetragen, der sich noch stark zusammenzieht, können sich die Schichten nicht synchron bewegen. Die festere, starre Kalkschicht reißt, da der weiche, schwindende Lehmuntergrund sie „mitnimmt“.
Unsere dringende Empfehlung lautet daher: Geben Sie dem Lehmputz ausreichend Zeit zum Trocknen und Schwinden. Lieber eine Woche länger warten als einen Tag zu kurz. Besonders in der kalten Jahreszeit oder bei dicken Lehmputzschichten kann dies entscheidend sein. Prüfen Sie, ob der Unterputz bis in die Tiefe durchgetrocknet ist, bevor Sie mit dem Kalk fortfahren.
Die Meister-Lösung: Mehr Sicherheit durch Systematik
Um die Risiken von Rissbildung zu minimieren und maximale Sicherheit zu gewährleisten, empfehlen wir eine mehrschichtige Strategie, die die Stärken beider Materialien nutzt:
- Riss-Vorsorge: Das Armierungsgewebe
Die Verwendung eines Armierungsgewebes ist die erste und wichtigste Maßnahme zur Risikominimierung. Das Gewebe nimmt die Spannungen des schwindenden Untergrunds auf und verteilt sie gleichmäßig. Es sollte in die erste Schicht des Kalkputzes oder Spachtels eingebettet werden.
- Der „Puffer“: Mineralische Grundierung
Auf Lehmputz ist eine mineralische Grundierung mit feiner Körnung oder ein spezieller Haftgrund Gold wert. Sie hilft, die Saugfähigkeit des Lehms zu regulieren und stellt eine feste, aber immer noch diffusionsoffene Brücke zwischen dem Lehm und dem feinen Kalkspachtel her. Diese „Anker-Schicht“ erleichtert die Haftung und minimiert die Gefahr von Abrissen.
- Die Königsklasse: Der Kalk-Grundspachtel
Um maximale Sicherheit und eine tiefenwirksame Ästhetik zu erzielen, ist der Auftrag eines Kalk-Grundspachtels (ca. 2 mm) empfehlenswert, gefolgt von der feinen Kalkspachtel (Perla).
- Der Grundspachtel fungiert als Ausgleichsschicht und Puffer. Er gleicht feine Unebenheiten des Lehmputzes aus.
- In diese Schicht kann das Gewebe optimal eingebettet werden.
- Die finale Schicht (Perla oder Rustica) sorgt dann für die gewünschte Ästhetik und die makellose Oberfläche.
Kompatibilität: Alt trifft Neu
Ein großer Vorteil von Lehm und Kalk ist ihre universelle Kompatibilität.
Ja, unsere Kalkprodukte sind mit jedem Lehmputz anderer Hersteller kompatibel!
Ob Sie einen bestehenden Lehmputz in einem Fachwerkhaus sanieren oder einen neuen Lehmputz im Neubau veredeln möchten: Kalk und Lehm sind natürliche, mineralische Geschwister. Die Materialien sind seit Jahrhunderten bewährt und vertragen sich problemlos, da sie beide extrem diffusionsoffen sind.
Für die Veredelung von Lehmflächen eignen sich Sumpfkalk-basierte Produkte (wie Perla oder Rustika) besonders gut, da ihre langsame, weiche Aushärtung besser zur Flexibilität und zur langsamen Bewegung des Lehmputzes passt. Sie neigen weniger zu schnellem Knacken als schnell bindende Produkte und erhalten die elastische Eigenschaft der Wand.
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